Achtung! Dieses Posting kann Spuren von Satire enthalten. Wer sie findet, darf sie behalten.
Seltsam, wenn irgendein Hersteller von Toilettenpapier etwas anderes textuierte Fasern und eine andere Perforierung bei seinen Produkten verwendet, muss er dafür noch selbst Werbung machen. Bei Betriebssystemen sieht das offenbar völlig anders aus, da hilft die Content-Industrie scheinbar unbezahlt beim Werben mit und erhebt eine völlig unwichtige Meldung in den Rang einer Nachricht, nach der sich die Menschen richten und nach der sie richten sollen.
So etwa (als nur ein Beispiel zum aktuellen Unsinn, weil ich nicht den ganzen Quatsch zum Thema lesen wollte) die Berliner Morgenpost über das jetzt käuflich erwerbbare „Windows Vista“ — so etwas landet bei dieser gehobenen Boulevardpresse übrigens im Ressort „Wissenschaft“:
Einige tausend neue Funktionen sollen im neuen Betriebssystem Vista enthalten sein, verspricht Microsoft. Davon werden die meisten Nutzer nur wenige gebrauchen können, und sie würden die Software in den Tiefen des Systems auch gar nicht finden.
Genau so stellt sich ein wacher Mensch das auch vor. Da sind zwar ganz viele Neuerungen, aber niemand merkt etwas davon. Wenigstens hat man in dieser Unsichtbarkeit noch etwas, woran man glauben kann: Die Versprechungen von Microsoft.
Eine der auffälligsten Änderungen ist die neue Oberfläche des Windows-Betriebssystems und die Aero Design genannte Optik.
Dafür wird einem beim Betrachten der Oberfläche jede Menge Zucker in die Augen gestreut, auf dass den Mündern der Anwender auch jede Menge „Ah!“ und „Oh!“ entlockt wird. Schließlich hat ein Betriebssystem ja so unterhaltsam wie ein Feuerwerk zu sein. Bleibt für die gestraften Käufer nur zu hoffen, dass sie daran etwas länger Freude haben.
Ein Klick auf die Kugel öffnet das Start-Menü.
Es gibt ja doch noch echte Innovation! Jetzt wird auf eine durchsichtige Kugel mit Windows-Logo geklickt, um etwas zu starten. Immerhin, ich muss wohl bald keinem Neuling mehr erklären, dass er zum Beenden seiner Sitzung erst einmal auf „Start“ klicken muss. Irgendwie muss ich aber bei einer durchsichtigen Kugel an eine Seifenblase denken.
Auch den Internet Explorer hat Microsoft verändert. Mithilfe des Browsers kommen Nutzer in das Internet.
Was für eine Neuerung! (Das Zitat ist nicht unzulässig verkürzt, der Blödsinn steht da wirklich so, bevor direkt auf die Vereinfachungen im Dateihandling mit Hilfe des Windows-Dateimanagers eingegangen wird.)
Am meisten hat Microsoft für die Sicherheit des neuen Betriebssystems getan. Die eingebaute Firewall schützt jetzt wirksamer als beim Vorgänger-System XP.
Genau den gleichen Spruch werden meine müden Augen in ein paar Jahren noch einmal lesen, nur dass dann vom „Vorgänger-System Vista“ die Rede sein wird. Und das „Vorgänger-System XP“ war ja auch viel sicherer als sein „Vorgänger-System Windows 2000“. Aber sicher doch!
Die Vista-Installation ist einfacher als bei XP. Dazu muss die mitgelieferte DVD in das entsprechende Laufwerk. Über die Datei Setup.exe lässt sich die DVD starten. In dem neuen Fenster lassen sich Sprache, Uhrzeitformat und Tastaturlayout bestimmen. […]
Das ist ja eine gewaltige Vereinfachung, nicht wahr? Man muss gar nichts Neues beim Installieren lernen, und das macht die Sache doch gleich viel einfacher.
Ich halte wirklich nicht viel von der deutschsprachigen Journallie unter den gegenwärtigen Bedingungen. Aber dass eine größere Zeitung der BRD in ihrem Ressort „Wissenschaft“ mal eben schnell einen umformulierten Werbetext von Microsoft veröffentlicht, das ist schon ein Niveau, wie es einem sonst nur bei der Bildzeitung begegnet. Das ganze wird dann mit den Worten…
Das neue Betriebssystem kommt heute auf den Markt. Wir haben es getestet
…angeteasert, aber von einem „Test“ ist im Text des Artikels gar nichts zu bemerken. Statt dessen wird einfach nur Werbung gemacht. Und zwar mitten im „redaktionellen“ Anteil des Blattes, und ohne auch nur die geringste Mühe, den puren Werbecharakter des Geschreibsels zu verstecken.
Wer ein bisschen wach ist, der wird nicht daran glauben, dass die anderen „Meldungen“ der BRD-Journallie besser recherchiert oder sorgfältiger erstellt sind. Das Lesen einer Zeitung gehört immer mehr zu den Beschäftigungen, auf die der Denkende verzichten kann.