Das Gestrüpp der Zeit, dieses bittere Nachtkraut, es lastet schwer in Deinem Bauch. Es gibt kein Entkommen und kein Erbrechen. Der ätzende Schleim des Verstehens pulpert durch die Windungen Deines Denkens, es ist zu spät und du weißt.
Höre! Höre, ich bin Du! Ich bin der Tod, Dein Begleiter, seit Du die Zeit kennst. Ich bin es, der sich kleidete im Gewand Deiner Mutter. Ich klinge mit im Kreischen der Kinder. Die Vögel beherrschen meine Melodie, ebenso die Gewehre. Entlarve das Räderwerk des Universums, und Du wirst mich finden! Hinter dem Vorhang der Welt wirst Du niemanden finden denn mich.
Höre! Du bist ich. Durch die Nebelsuppe Deiner Sinne kannst Du nur Dich wahrnehmen. Überall dieselbe tägliche Monotonie, während Dein Leben zertickt wird. Auch Du bist der Tod. Tod! Verstehst Du: Tod! Doch mehr als dieses, die Frucht der Erkenntnis macht Dir die Hölle, da Du den Baum des Lebens suchst und nur Tod findest.
Schreie nur zu Gott, Würmerfraß! Auch die Religion ist meine Maske, mein schönstes Kleid, das mich zu Deinem Gotte macht. Ha, Du Narrenbrut glaubtest Deine Ewigkeit! Schaue doch auf den ganzen Menschenstaub um Dich herum! Siehst Du es denn nicht, Verständniszwerg!? Eher morden sie und sterben sie für ihre Religion, als dass sie versuchen würden, sie zu leben. Glaube nur Deinem Gott und Deiner Ewigkeit! Bald schon wird sich Dein Gedenken zu den Gräbern der Glaubenden gesellen, und bald darauf ist es ausgetilgt. Was bleibt, das ist der Tod. Jedes Leben muss sterben, und ohne mich gibt es kein Leben.
Doch Du Dunkelgeist, Dein Wissen um die Vergänglichkeit, diese dumpfe, leise dröhnende Ahnung des zwangsläufigen Endes, warum läßt sie Dich in Angst vergehen? Bist Du so begeistert von der Illusion deiner Bedeutsamkeit? Freunde Dich mit mir an, und freunde Dich mit Dir an! Werde ein Freund des Todes und lebe! Was kann es für Dich Besseres geben als das Bewusstsein der Bedeutungslosigkeit Deiner Existenz? Wenn die eisige Hand der Zeit nur ein wenig mit dem Universum gewürfelt hat, bist Du schon in der Finsternis des Vergessens. Vergessen, ewiges Vergessen! Verstehst Du?! Das Vergessen ist die Freiheit des Todes. Dein vermurkstes bisschen Leben wird vergessen. Fleischhaufen, Dein Bewusstsein wird sich im Nichts auflösen. Freunde Dich mit mir an und erfahre das ewige Leben! Dein Leben ist Dir doch nur kurz, weil der Zeitsand durch Dich rieselt. Lebe den Sekundenglanz Deiner Nichtigkeit zeitlos, stirb, und sei frei! Es gibt Wichtigeres als Dich.
Ich, der Tod, bin Dein Meister, ich bin die Brücke über den Riss durch Deine Mitte.
Sei mir feind, und die tägliche unverdrängbare Angst wird Dich tägliche Tode sterben lassen. Sei mir freund, und Du wirst durch mich das Leben lernen. Menschenkind, wir sind unzertrennbarer als jedes verliebte Paar. Wie immer Du Dich auch bemühen magst, Du kannst mich nicht abschütteln. Ich bin Dein, und Du bist mein. Nimm mich an, und entkomme Deiner Hölle! Ich bin der Tod, der große alte Erhalter des Lebens, Dein einziger Freund.
Ich gehe jetzt zurück in das unersättliche, dunkle Loch des Vergessens. Wenn Du das nächste Mal meine Stimme hörst, dann wirst Du mir folgen müssen und Anteil an meiner Ewigkeit bekommen, am zeitlosen Koma. Sei dann bereit, Vergänglicher! Und vor allem: Lebe vorher!